Auf Senja haben wir uns besonders gefreut. Die Insel hat so vieles, was auch die Lofoten haben, ist aber gleichzeitig deutlich weniger überlaufen und ruhiger. Als wir mit einigen anderen Radlern von der Fähre rollen (wie immer dürfen wir in Ruhe vor den Autos von Bord gehen), kündigt sich schon das gute Wetter an, das der Wetterbericht versprochen hat. Die Wolken sind nicht mehr so dicht und die Sonne kommt ab und zu durch. Wir suchen uns einen Schlafplatz an einem kleinen Pass, der von Autos nur noch von einer Seite befahren werden kann und durch den Tunnel umgangen wird. Wir entdecken einige kleine Moltebeeren-Pflanzen, die gerade blühen. Es sind sehr kleine Pflanzen, die immer nur eine Blüte beziehungsweise später nur eine Frucht tragen. Mal schauen, ob wir auch noch Früchte sehen werden.

Senja ist zwar die zweitgrößte Insel Norwegens, lässt sich aber selbst mit dem Rad recht schnell überqueren, auch weil die Route nur im Norden über die Insel geht. Viele der anderen Radler, die wir getroffen haben, radeln eher schnell über Senja, für die knapp 80 Kilometer nehmen sie sich maximal zwei Tage Zeit. Wir wollen uns mehr Zeit nehmen, das gute Wetter genießen, einige der Sackgassen entlang der Fjorde abfahren und wandern gehen. Nachdem es die letzten Tage auf den Lofoten und vor allem auch auf den Vesterålen eher flach war, geht es hier auf Senja zwischen den Fjorden wieder ganz gut hoch und runter. Hier treffen wir immer wieder die gleichen Radler: Basti aus Deutschland, der nach einigen Wochen jetzt kurz vor seinem Ziel Tromsø ist und Andrew und Emma, ein kanadisches Pärchen, das in zwei Wochen von den Lofoten nach Tromsø radelt. Gemeinsam verbringen wir einen schönen Sommerabend am Ersfjordstrand, der beliebteste Platz auf Senja zum Campen. Schon verrückt, wie viele Leute hier „wild“ zelten. Es gibt eine öffentliche Toilette mit kalter Außendusche und es wurden ein paar Dixi-Klos aufgestellt, sonst würde es wahrscheinlich auch nicht lange gut gehen.
Die Sonne verschwindet gegen 23 Uhr hinter den „Ochsenhörnern“. Das ist aber gar nicht so schlecht, denn dann haben wir einen guten Grund ins „Bett“ zu gehen. Wenn die Sonne die ganze Nacht scheint, fällt uns das sonst teilweise sehr schwer, man merkt gar nicht wie schnell die Zeit vergeht und wie spät es eigentlich schon ist.

In Ersfjord treffen wir auch zufällig auf Bent, den Bergführer, mit dem Tamina (mit ihrem Vater und ihrer Schwester) im März zwei Tage auf Skitour war. Er ist durch sein markantes, quietschgrünes Auto immer schon von Weitem zu erkennen. Wir werden von ihm zum Klettern eingeladen. In Ørnfjord hat er an einer Felswand einen Kletterspot eingerichtet mit einigen Routen, direkt über dem Fjord. Wir treffen uns dort gegen Abend, er bringt das ganze Material mit und auch Kletterschuhe für uns. Bevor wir dort hin fahren, machen wir noch einen kleinen Abstecher nach Mefjordvær. An der Straße setzen wir uns an einen Picknicktisch mit Blick auf die Berge und essen etwas, als Tamina ein Geräusch hinter sich hört. Sie dreht sich um und da steht ein weißes Rentier auf der Straße und schaut uns an. Als wir es aber auch anschauen, zieht es sich wieder zurück in den grünen Hang. Unser erstes Rentier! Auf Empfehlung von Bent machen wir auch noch einen kleinen Spaziergang zum Aussichtspunkt Knuten, direkt bei Mefjordvær, und genießen den Ausblick auf das offene Meer.

Am Fels angekommen steigt Bent ohne große Einführung vor und sichert uns beide nach, der Ausblick auf den Fjord wird immer besser je höher wir kommen und es macht richtig Spaß! Gegen 23 Uhr kommt die tief stehende Sonne um die Landzunge herum und scheint in den Fjord und auf die Felswand. Magisch!
Es gibt nur ein Problem: Tamina hat sich ordentlich das Knie verdreht, auftreten geht noch, strecken und abwinkeln eher schlecht. Sowas ärgerliches. Wir machen uns natürlich sofort Gedanken wie es weitergeht… Yann und Bent klettern noch bis etwa 1 Uhr am angeleuchteten Felsen, dann verschwindet die Sonne langsam wieder hinter der nächsten Landzunge. Und wir müssen überlegen, wie wir jetzt weiter machen. Taminas Knie wird eher schlechter, die Mitternachtssonnen-Wanderung, die wir eigentlich für heute Nacht geplant hatten, ist schon längst gestrichen. Bent bietet uns an mit in seine Lodge nach Mefjordvær zu kommen und dort erst mal Pause zu machen und in einem richtigen Bett zu schlafen. Das machen wir dann auch und tatsächlich bekommen wir sogar beide Fahrräder mit Gepäck zusätzlich zu Bents Kletterausrüstung in sein Auto und fahren die 25 km zurück, die wir erst am Nachmittag geradelt sind.

Wir bleiben zwei Nächte in Mefjordvær und hoffen, dass Taminas Knie sich etwas erholt und wir wenigstens irgendwie weiter radeln können. Der Tag ist sehr wolkenverhangen, dichter Nebel hängt in den Fjorden, die Berge sieht man gar nicht. Verrückt, wie schnell sich das ändern kann und wie anders alles wirkt, lang nicht so schön und spektakulär ohne den Blick auf die Berge und das offene Meer. Aber am nächsten Tag ist das Wetter wieder besser, die Sonne scheint und es sind nur noch vereinzelte Wolken am Himmel. Für die gut 80 km bis nach Tromsø nehmen wir uns zwei Tage Zeit um es mit Taminas Knie erst mal langsam angehen zu lassen und Yann besteht darauf, einen Teil von Taminas Gepäck zu nehmen. So geht das Fahrradfahren einigermaßen und schweren Herzens verlassen wir diese schöne Insel, ohne eine Wanderung gemacht zu haben. Wir hatten noch so viele schöne Ideen, wie wir die Tage hier verbringen wollen… Aber wir werden sicher wieder kommen!
Die Nacht verbringen wir auf Kvaløya, an einem wunderschönen kleinen Strand mit Mitternachtssonne, eine kleine Entschädigung für die frühe Abreise von Senja. Leider sind immer mehr Mücken und auch Bremsen unterwegs, was das draußen sitzen etwas unangenehm macht. Wir fragen uns, wie das wohl in Finnland wird, wo es ja im Sommer bekanntlich sehr schlimm ist mit den Mücken.

Wir beobachten eine kleine Entenfamilie und sind uns ziemlich sicher, dass es Eiderenten sind. Schön, sie in der Natur zu sehen, nachdem wir so viel auf Vega über sie gelernt haben. Beeindruckend, wie die kleinen schon tauchen können!

7 Antworten zu „Senja – Perle im Norden“

  1. Avatar von Maryvonne.spaeth@t-online

    Bon courage.il faut etre raisonable🥰 mais c est l aventure.m

  2. Avatar von Matthias

    Vielen Dank für die immer wieder beeindruckenden Fotos und eure Berichte, wir fahren regelrecht mit 😉 …
    Und dir gute Besserung, liebe Tamina!

    1. Avatar von Tamina

      Das ist schön, dann lohnt sich die Arbeit! 😉
      Danke!

  3. Avatar von Thomas

    Liebe Tamina, telemedizinisch können wir vermutlich nicht wirklich weiterhelfen? Aber vielleicht mit Tipps zum taping? Meld dich gerne bei Bedarf, gute Besserung!

    1. Avatar von Tamina

      Lieber Thomas, das ist lieb, Danke! Aber ich fürchte, da müssen die Chirurgen ran, wenn wir zurück sind, tippe auf Meniskus… aber mal schauen, die Hoffnung stirbt zuletzt! Fahrradfahren scheint wenigstens einigermaßen zu gehen…
      Tapen ist eine gute Idee, mal schauen, ob ich das hier irgendwo bekomme… Liebe Grüße!

  4. Avatar von Silke

    Gute Besserung, liebe Tamina!

    1. Avatar von Tamina

      Danke!

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