Lappland – Abstecher in die “Wildnis”

Auf dem Weg weiter Richtung Süden werden wir immer wieder nass, aber immerhin haben wir ganz gut Rückenwind, so dass wir schnell vorwärts kommen. Leider ist die E75 sehr stark befahren und verhältnismäßig viele Fahrzeuge fahren dicht und schnell an uns vorbei, gefühlt war es auf unserer Reise noch nie so schlimm wie hier. Wir haben eigentlich noch etwas mehr Zeit als wir bis Rovaniemi auf direktem Weg brauchen würden und suchen nach alternativen Straßen, die kleiner sind. Gar nicht so einfach, denn es gibt nicht so viele “größere” Straßen, die auf den Karten gut zu erkennen sind. Erst, wenn man sehr nah ran zoomt, tauchen die kleinen Sträßchen auf. Aber Yann hat eine Internetseite gefunden, die viele gute Informationen zu Gravelbike-Routen in Finnland bereit stellt. Für eine ganze Gravelroute haben wir jetzt aber doch nicht die Zeit und auch zu viel Gepäck auf den Rädern, aber es hilft enorm bei der Routenplanung. Wir suchen uns also unsere eigene Route etwas weiter östlich als die E75, auf kleinen Straßen und ab und zu Schotterwegen.

Ein paar Kilometer bleiben wir aber noch auf der E75. Entlang der Straße gibt es hauptsächlich Wald, die Seen sind seltener geworden, ab und zu sehen wir Rentiere. Mehr zufällig sind wir auf einen kleinen Laden an der Straße gestoßen, wo selbst geräucherter Fisch verkauft wird, der laut Internetbewertungen sehr gut sein soll. Praktischerweise ist es gleichzeitig auch ein kleiner Campingplatz, so dass wir unser Zelt auf der Wiese dahinter aufstellen können. Für den nächsten Tag ist Dauerregen angesagt, da sind wir froh, ein trockenes Plätzchen zu haben. Der “hot smoked salmon” schmeckt wirklich unglaublich gut!

Ein Italiener übernachtet in einer der beiden kleinen Hütten und macht wegen des Regens einen Pausentag. Er scheint noch nicht viele andere Radfahrer getroffen zu haben, denn er freut sich sehr, uns zu sehen und obwohl er kein Englisch spricht und wir kein Italienisch, unterhalten wir uns ein bisschen. Er will wissen, wie der Nordkapptunnel war, er hat wohl Klaustrophobie und will den Tunnel eigentlich nicht fahren. Wir erzählen ihm von unserer Alternativroute ohne Tunnel über Havøysund (die wir eigentlich allen Radlern empfehlen, die uns entgegen kommen), er ist begeistert und möchte noch ein Abscheidsfoto mit uns machen.

Weil wir auf unserer Route auf den kleinen Straßen doch etwas mehr Zeit brauchen bis nach Rovaniemi, entscheiden wir uns dagegen, den Regen auszusitzen und machen uns gegen Mittag auf den Weg nach Osten. Der stärkste Regen sollte durch sein und gegen Abend sollte es aufhören. Trotzdem werden wir auf den 50 km Schotterstraße recht nass und vor allem Tamina ist heilfroh, als wir wieder Asphalt unter den Reifen haben und wenig später am Laavu am Lokka-Stausee ankommen. Ausnahmsweise wird mal kein Feuerholz bereit gestellt, deswegen versuchen wir am Strand möglichst trockenes Treibholz für ein Feuer zu finden um es bei dem nasskalten Wetter etwas gemütlicher zu haben.

Am nächsten Tag geht es auf der eigentlichen Straße nach Lokka weiter, die asphaltiert ist. Trotzdem begegnen uns auf den knapp 40 Kilometern bis zur nächsten etwas größeren Straße nur eine Handvoll Autos. Ab und zu kommt die Sonne zwischen den Wolken durch und wir können entspannt nebeneinander fahren, das macht so viel mehr Spaß, als bei dem vielen Verkehr auf der E75.
Wir haben damit gerechnet, drei Tage lang an keinem Supermarkt vorbei zu kommen, aber im kleinen Tanhua gibt es doch einen winzigen Laden, der tatsächlich offen hat, so dass wir ein paar Kleinigkeiten kaufen können und auf der kleinen Terrasse Mittagspause machen.

Wir fahren nur ein paar 100 Meter auf der etwas größeren Straße und biegen bald wieder Richtung Süden ab. Laut Komoot eine asphaltierte Straße, aber nach wenigen Metern ist sie nur noch geschottert. Sie ist zwar sehr gut fahrbar und dank des Rückenwinds läuft es noch leichter, wir fragen uns nur, wie der Weg dann aussieht, wenn Komoot “loser Untergrund” schreibt, wie bei den letzten 20 Kilometern für heute…

Auch hier begegnen uns kaum Autos und wir genießen die Natur und die Ruhe. Zu erst wissen wir nicht so richtig, was wir davon halten sollen, als wir hinter uns ein galoppierendes Geräusch hören und einen großen Hund hinter uns her rennen sehen, aber als Yann anhält, begrüßt er uns nur freundlich, schnuppert an unseren Taschen und legt sich in unseren Schatten. Weit und breit ist kein Mensch zu sehen, nur ab und zu gehen kleine Wege von der Straße ab, die vermutlich zu Häusern oder Hütten führen, wir haben keine Ahnung, wohin der Hund gehört. Er sieht sehr gepflegt aus, hat aber kein Halsband um. Nach einer Weile entscheiden wir, weiter zu fahren und zu schauen, was passiert. Wahrscheinlich gehört er hier irgendwo in die Nähe und läuft irgendwann einfach wieder nach Hause. Er begleitet uns tatsächlich eine kleine Weile, selten auf der Straße, meist rechts oder links von uns durchs Unterholz und es ist faszinierend ihm dabei zuzuschauen, wie er elegant durchs Gelände springt und ohne Probleme mit uns mithält. Und dann ist er plötzlich wieder weg, wir sind gleichzeitig erleichtert und enttäuscht… Was für eine nette kurze Begleitung, aber was hätten wir gemacht, wenn er weiter bei uns geblieben wäre?

Kurz vor Ende der “geteerten” Straße steht ein kleines Auto am Wegrand, dass uns kurz zuvor überholt hat. Wir halten Ausschau nach dem Fahrer, weil uns nicht gleich einleuchtet, warum man hier im Nirgendwo anhalten sollte. Wir entdecken die ältere Frau etwas entfernt von der Straße zwischen den Lichten Bäumen. Sie hat einen Eimer dabei und scheint etwas zu pflücken. Nach kurzem Überlegen folgen wir ihr zwischen die Bäume, es gibt keinen sichtbaren Weg, und tatsächlich, sie scheint Moltebeeren zu pflücken! Bei genauem Hinsehen entdecken wir überall die kleinen orangenen Punkte. Wir würden gerne mit ihr reden, aber sie versteht leider kein Wort von dem, was wir sagen und wir stehen kein Wort von dem, was sie sagt. Schade. Aber sie gibt uns Lakka, wie die Beeren auf Finnisch heißen, aus ihrem Eimer zum Probieren. Etwas herb, süß, sehr lecker! Wir pflücken auch ein paar Moltebeeren und entdecken auch einigen Blaubeeren, Tamina ist im Glück, das gibt ein leckeres Frühstück morgen! Die Frau wird ihren Eimer wahrscheinlich tatsächlich noch voll bekommen, es scheint eine sehr gute Stelle zum Moltebeeren pflücken zu sein. Solche Orte werden von den Einheimischen geheim gehalten und nur in der Familie weiter gegeben…

Der loose Untergrund entpuppt sich als breiter Waldweg, etwas holprig und manchmal sandig, aber immer noch gut fahrbar. Nach etwa 90 Kilometern kommen wir wieder auf eine asphaltierte Straße und haben unsere zweite Hundebegegnung, die deutlich weniger angenehm ist als die erste: Wir fahren an einem Hof vorbei, zwei Hunde fangen an zu bellen, einer der beiden rennt auf der anderen Seite des Straßengrabens an den Bäumen entlang und als er sich uns nähert, springt er über den Graben auf die Straße setzt uns laut bellend nach. Gleichzeitig hat ein furchtbares Rufen und Schreien der Besitzerin angefangen, was uns ein sehr ungutes Gefühl gibt. Der Hund kommt immer näher, wir haben keine Chance im wegzufahren und Tamina, die hinten fährt, macht sich schon bereit zum Treten. Als der Hund vielleicht noch einen halben Meter von ihrem Hinterrad entfernt ist, scheint er langsamer zu werden, inzwischen hat auch das Herrchen angefangen laut und heftig zu rufen. Entweder hat das Wirkung gezeigt, oder er hat gemerkt, dass wir doch nicht so gefährlich sind. Puh, der Puls ist auf 180, wir haben noch nie eine solche Angst vor einem Hund gehabt und auch eher weiter im Osten mit einem solchen Erlebnis gerechnet, wo es viele Straßenhunde gibt. Das Erlebnis steckt uns noch ein Weilchen in den Knochen und während wir die letzten 10 Kilometer zu einem kleinen See rollen, an dem wir übernachten, schauen wir uns jedes Mal mit einem unguten Gefühl um, wenn wir an einem Haus vorbei fahren, bei dem ein Hund bellt.

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